Interview mit Peter Büsing – das OZG-Projekt (Teil 3)
24. April 2023
Lesedauer: 14 Minuten
Veränderung – dieses Wort beschreibt den aktuellen Stand im Hinblick auf die Vergabe besonders gut. Neue Plattformen, neue Vorgehensweisen und neue Strukturen kommen momentan auf uns und auf Sie zu.
Am 30. und 31. März 2023 fand unsere Kundentagung im B. Neumann in Würzburg statt. Wir haben einiges rund um das Thema Vergabe präsentiert und auch dazugelernt. Zu Gast war auch Referent Peter Büsing, den wir in diesem Blogbeitrag interviewt haben, um aus erster Hand Informationen zu dem OZG-Projekt für Sie bereitzustellen und aufkommende Fragen zu klären.
Hallo Herr Büsing, es freut uns sehr, Sie hier auf unserer Kundentagung begrüßen zu dürfen. Könnten Sie sich bitte kurz vorstellen?
Mein Name ist Peter Büsing. Ich bin Referent beim Senator für Finanzen in Bremen. Dort arbeite ich im Referat 45, dem Referat für die Digitalisierung von Verwaltungsleistungen für Unternehmen. Seit ca. 7 Jahren beschäftige ich mich mit Digitalisierungsthemen; dabei habe ich unter anderem an der Entwicklung des Standards XRechnung und einer Architektur zum Empfang von XRechnungen mitgewirkt. Seit etwa drei Jahren arbeite ich im Kontext des Onlinezugangsgesetzes (OZG) im Themenfeld Unternehmensführung und -entwicklung.
Das sind einige interessante Themengebiete. Was finden Sie an Ihrer Arbeit besonders spannend?
Es ist sehr spannend, Digitalisierung von Anbeginn, zunächst am Reißbrett zu entwickeln, dann an der Einführung konkreter Dienste oder Standards mitzuwirken, um schließlich zu sehen, wie sich diese Dienste und Standards etablieren. Dies ist wie der Zyklus in der Entwicklung eines Kindes hin zum klugen und verantwortungsbewussten Erwachsenen, was jedes Elternpaar stolz macht. Hieraus schöpft sich die Motivation, neue Digitalisierungsprojekte anzugehen.
Die Motivation, aus dem Erfolg des Prozesses zu schöpfen, ist sehr gut nachvollziehbar. Der Vergleich mit der Entwicklung eines Kindes ist meiner Meinung nach besonders treffend. Welche Rolle haben Sie in dem OZG-Projekt inne?
Ich bin seit 2019 der Gesamtprojektleiter für das Umsetzungsprojekt Vergabe, das aus drei Teilprojekten besteht: den Vermittlungskomponenten (im Sinne eines Intermediäres) innerhalb des „Datenservice Öffentlicher Einkauf“, der Präqualifikation und des Lieferantencockpits.
Erfahren Sie in unserem Blogbeitrag: Das Umsetzungsprojekt “Vergabe” mehr zu den drei Teilprojekten.
Könnten Sie kurz definieren, was die sogenannten eForms sind, die im OZG-Projekt immer wieder zur Sprache kommen?
eForms basieren auf der EU-Durchführungsverordnung 2022/2303. Bestehende Bekanntmachungsdokumente sollen dabei standardisiert und digitalisiert werden. Durch eine einheitliche, maschinenlesbare Struktur können Bekanntmachungen im Rahmen von Ausschreibungen medienbruchfrei zwischen verschiedenen Systemen elektronisch übertragen und visualisiert werden.
In unserem Blogbeitrag: eForms – Die Änderungen der Bekanntmachungen können Sie weitere Informationen nachlesen.
eForms sind also Standarddatensätze zur Veröffentlichung von Bekanntmachungen. Was bringt die Umstellung von Papierform bzw. eNotices zu den eForms mit sich?
Der Vorteil liegt in der Digitalisierung, der Transparenz, der Beschleunigung und besseren Datenqualität. Durch die Validierung von Zusammenhängen, Pflichtfeldern und Inhalten können Fehler im Prozess deutlich reduziert werden. Die Beschäftigung mit dem digitalen Medium wird auf allen Seiten gestärkt, was wiederum die Basis für die nächsten Digitalisierungsschritte in der nahen Zukunft darstellt.
Welche Vorteile bringen die eForms zusammengefasst?
Der größte Vorteil liegt in der standardbasierten technischen Umsetzung bei allen Beteiligten. Aber auch die Auswertbarkeit der Daten für politische, strategische und einkaufsbezogene Fragestellungen wird erleichtert.
Ein einheitlicher Standard ist sehr vorteilhaft. Gibt es auch Nachteile an der Umstellung zu den eForms?
Von Nachteilen würde ich nicht sprechen. Jeder relevante Digitalisierungsschritt ist mit einem Change-Prozess verbunden, der Aufwände bzw. Veränderungen auf allen Seiten (Verwaltung, Fachverfahrenshersteller und Unternehmen) mit sich bringt. Ein Return of Invest ist durch die Vorteile in einer Gesamtbetrachtung schnell erreicht.
Das könnte man mit einem Schritt aus der Komfortzone vergleichen, richtig? Es ist erst etwas unangenehm, zahlt sich aber auf jeden Fall aus. Was ändert sich denn alles…
- Für Wirtschaftsteilnehmerinnen und –teilnehmer?
Im Zuge der EU-Verpflichtung zur Nutzung von eForms haben der Bund und Bremen eine zentrale Plattform, den „Datenservice Öffentlicher Einkauf“, aufgebaut. Hierdurch wird es ermöglicht, sämtliche Bekanntmachungsdokumente zentral an einer Stelle zu sichten und zu vergleichen.
- Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Einkaufs der öffentlichen Hand?
Diese Frage ist sehr abhängig von der Implementierung durch die Fachverfahrenshersteller. Die Anwender:innen merken davon eher wenig, vieles wird im Hintergrund technisch abgefangen. Es gibt in den neuen eForms-Dokumenten allerdings mehr Datenfelder als zuvor, mit denen sich die Anwender:innen ggf. auseinandersetzen müssen. Sie werden aber vermutlich wenig von der Umstellung in ihrer täglichen Arbeit bemerken.
Das ist eine positive Nachricht. Was sich vermutlich auch einige fragen: Warum weicht die Bundesrepublik als einziger Mitgliedsstaat von den Vorgaben der EU ab und erstellt ein eigenes eForms-DE Muster?
Die technische und organisatorische Umsetzung der Durchführungsverordnung durch die nationalen öffentlichen Auftraggeber ist Teil des koordinierten Vorhabens XStandards Einkauf. Es wird sichergestellt, dass öffentliche Auftraggeber sich nicht eigenständig und voneinander unabhängig mit den europäischen Vorgaben auseinandersetzen müssen. Im Sinne einer gemeinsamen IT-Strategie von Bund und Ländern ist es sinnvoll, an einer zentralen Stelle diese Vorgaben umzusetzen und dann den Standard zentral zu pflegen und zur Verfügung zu stellen. Aus Sicht des IT-Planungsrats ist die Überführung der europäischen Durchführungsverordnung in eForms-DE erforderlich, unter Einbeziehung nationaler Experten aus Verwaltung und gegebenenfalls Wirtschaft. Bei der Umsetzung der europäischen Vorgaben sollen Kosten gesenkt, die Effizienz gesteigert und die Qualität verbessert werden.
Manche Datenfelder sind also anders geregelt als in der EU üblich. Welche sind für Deutschland besonders relevant und wieso?
Dies sind aktuell Felder und Inhalte zur strategischen, nachhaltigen und sozialen Beschaffung. Besonders wichtige Datenfelder für nachhaltige Beschaffung sind z.B.: BG-714 (Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge), welche in Deutschland verpflichtend sind.
Lesen Sie mehr zu der Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge im Zusammenhang mit dem AI VERGABEMANAGER in unserem Blogbeitrag.
Welche Vorteile haben wir dadurch anderen EU-Mitgliedsstaaten gegenüber?
Zum einen eine verbesserte Auswertbarkeit zur Effektivität von Gesetzen durch eine konsistentere und detailliertere Datengrundlage sowie die Möglichkeit einer notwendigen Nachjustierung. Zum anderen werden Reporting-Pflichten gegenüber der EU durch eine bessere Datenlage ohne zusätzliche Rechercheaufwände möglich (andere Länder müssen evtl. Daten nacherheben).
Welche Chancen sehen Sie hier für Deutschland?
Die nationale Ausgestaltung von eForms als eForms-DE findet im zentralen „Datenservice Öffentlicher Einkauf“ Anwendung. Dadurch und durch die geplante Verpflichtung zur Nutzung dieses zentralen Dienstes wird eine deutlich verbesserte Datentransparenz herbeigeführt. Auch wenn unterschwellige Vergaben nicht in der gesetzlichen Verpflichtung enthalten sind, ist davon auszugehen, dass Fachverfahrenshersteller auch diese als eForms-DE an den „Datenservice Öffentlicher Einkauf“ übermitteln. Informationen sowohl aus dem Oberschwellen- als auch aus dem Unterschwellenbereich stehen so zentral an einer Stelle zur Verfügung. Diese Datentransparenz wird mittels einer Open Data-Schnittstelle sowohl für die Öffentliche Verwaltung als auch für Unternehmen erzeugt. Durch das Zusammenspiel von eForms und dem „Datenservice öffentlicher Einkauf“ wird zum einen der Zugang zur Vergabe für Unternehmen erleichtert. Das stärkt den Wettbewerb und führt zu günstigeren Preisen. Zum anderen werden notwendige Informationen für strategische Fragestellungen von Politik und öffentlichem Einkauf, aber auch für Unternehmen bereitgestellt.
Damit hat sich schon einiges verändert. Wie vermuten Sie geht es in der Zukunft weiter?
Mit XRechnung, XBestellung und auch eForms sind Grundlagen gelegt, auf deren Basis technische Umsetzungen und Onlinedienste entstanden sind bzw. entstehen. Dies deckt bereits einige Punkte in der Prozesskette von der Bedarfserhebung bis zur Rechnungsstellung ab. Das mittelfristige Ziel ist jedoch die standardbasierte Digitalisierung des gesamten Beschaffungsprozesses.
Wir sind gespannt. Vielen Dank Herr Büsing für die offene und ehrliche Beantwortung unserer Fragen.
Erfahren Sie mehr zu den OZG-Diensten in unseren ersten beiden Teilen: Das Umsetzungsprojekt „Vergabe“ und eForms – Die Änderungen der Bekanntmachungen.
Autorin: Leonie Oerter
Marketing und Vertrieb